Kipp-Punkte im Klimasystem

Unbequeme Wahrheiten

Betretene Stille nach dem Vortrag über Kipp-Punkte im Klimasystem am 25. September, abends im sOfA Algermissen, dann melden sich die ersten Zuhörer zu Wort: „Warum hat die Politik seit den Siebziger Jahren fast nichts gegen den Klimawandel und die Erderhitzung getan?“ „Warum ist die fossile Industrie so mächtig?“ „Ist Homo sapiens einfach nicht intelligent und vorausschauend genug, um angemessen und entschlossen auf die kommende Klimakatastrophe zu reagieren?“ „Was können wir, was kann jeder Einzelne tun, um zur dringend notwendigen gesellschaftlichen Wende beizutragen?“

Begrüßung von Ellen Gerdes (r.) durch Sonja Hahn von der Klimaschutzgruppe Algermissen

Dipl.-Ing. Ellen Gerdes hat die Anwesenden mit ihrem Vortrag aufgerüttelt. Selbstverständlich waren der Klimawandel und die auslösenden Mechanismen schon vorher jedem bekannt, aber die Wucht, die einzelne Kipp-Punkte entfalten können, ist einfach erschütternd.

Beispielsweise haben die schneeweißen Polarkappen bislang viel Sonnenlicht und Wärme wieder ins All zurückgeworfen. Inzwischen sind diese Eiskappen aber schon zu mehr als einem Fünftel abgeschmolzen und das dunkle Meereswasser darunter erwärmt sich in der Sonne. Damit schmelzen die Eismassen am Nordpol und auf Grönland noch schneller. Es handelt sich um einen der sogenannten Klima-Kipp-Punkte. Mit großer Wahrscheinlichkeit hat der Grönländische Eisschild seinen bereits überschritten, sodass ein weiteres Abschmelzen nicht mehr aufzuhalten sein dürfte. Ein globaler Anstieg des Meeresspiegels um sieben Meter wäre die unausweichliche Folge.

Der Wärmetransport durch die Atlantikzirkulation, der sogenannte AMOC (Atlantic Meridional Overturning Circulation), der zum Beispiel das angenehme Klima in Europa verantwortet, droht bereits in den kommenden Jahrzehnten abzubrechen. Insbesondere auf unserem Kontinent dürfte das arktische Kälte und Artensterben auslösen.

Permafrostböden beginnen zu tauen und zusätzliche Treibhausgase freizusetzen. Wetterstabilisierende Jetstreams in der oberen Atmosphäre schwächen sich ab, wichtige Ökosysteme wie der Amazonas-Regenwald in Südamerika und das riesige Korallenriff vor Australien, die weltgrößte Kinderstube für Meeresfische, sterben und mit ihnen entsetzlich viele Tier- und Pflanzenarten.

Nicht aufgeben, wir haben noch eine Chance!

Ja, der Vortrag schmerzt und rüttelt auf. Zumal sich Ellen Gerdes seit über 30 Jahren in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit engagiert. Sie ist Zeugin der Folgen der klimatischen Veränderungen im globalen Süden und des einhergehenden Verlusts der Lebensgrundlagen. Diese Erfahrungen setzten den Impuls, sich bei der internationalen Umweltschutzbewegung Extinction Rebellion zu engagieren. Dabei handelt es sich um eine dezentrale Graswurzelbewegung, aktiv in über 75 Ländern, die unter anderem mit Aktionen des zivilen Ungehorsams auf die Folgen der Erderhitzung und das aktuelle Massenaussterben der Arten aufmerksam macht.

Und was kann der Einzelne nun tun? „Nicht aufgeben, wir haben noch eine Chance, unseren Lebensraum Erde zu retten, daran müssen wir einfach glauben“, rät Gerdes. Jeder könne bei Wahlen den Klimaschutz unterstützen, an Demonstrationen teilnehmen und auch im Bekanntenkreis auf die drohende Gefahr hinweisen. Klima- und Umweltorganisationen verdienen Unterstützung und in örtlichen Gruppen kann man auch konkret an Petitionen und Aktionen mitarbeiten. Menschen, die angesichts der drohenden Klimakatastrophe nicht einfach die Hände in den Schoß legen wollen, finden zum Beispiel in der Klimaschutzgruppe Algermissen Gleichgesinnte.

Die Präsentation zum Vortrag am 25. September 2024 im sOfA bieten wir mit der freundlichen Erlaubnis der Vortragenden Ellen Gerdes hier zum Download an.

(Text/Fotos: Arne Grävemeyer, Präsentation: Ellen Gerdes)

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